Mercator

BÜROGEBÄUDE FEIERT NACHHALTIGKEIT OHNE KUNSTSTOFFE

Durch die an beiden Stirnseiten fächerartig verschwenkten Fassaden entsteht ein wortwörtlich richtungsweisendes Gebäude, das die Fußgängerströme vom Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt lenkt.

Ein Bürogebäude ohne Kunststoffe und Verbundkomponenten in einer Zeit zu bauen, in der Nachhaltigkeit und Umwelt ein absolutes Schwerpunktthema ist, dürfte an Aufmerksamkeitswert kaum zu überbieten sein. Und provoziert die Frage, ob das überhaupt möglich sei. Die Architekten des Büros Hadi Teherani Architects hat sich genau das bei der Planung des Bürogebäudes „Mercator One“ in Duisburg zum Ziel gesetzt.

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Mit seiner klar gegliederten Fassade
nimmt das neue Bürogebäude „Mercator One“
direkten Bezug auf das denkmalgeschützte,
Anfang der 1930er-Jahre im Stil
der Neuen Sachlichkeit
errichtete Bahnhofsgebäude (rechter Bildrand).

Markantes Architektur-Entrée zur Innenstadt

Sie verzichteten fast komplett auf Kunststoffe und Verbundkomponenten und setzten stattdessen auf wenige nachhaltige Materialien. Maßgeblich mit dazu beigetragen haben unter anderem keramische Fliesen in den Erschließungs- und Sanitärbereichen, um einen eleganten und zugleich wohltuend neutralen Hintergrund für die individuellen Mietbereiche zu schaffen.Seitdem die tiefliegende Schneise der Autobahn A59 mit einem Betondeckel versehen wurde, treffen Reisende beim Verlassen des Duisburger Hauptbahnhofs nicht mehr auf tosenden Verkehr und parkende Autos. Sie werden vielmehr von einem weitläufigen Platz empfangen, der mit Wasserspielen, Magnolienbäumen, einer Veranstaltungsfläche und eigens gestalteten Sitzmöbeln zum Verweilen einlädt. Dass dieser Platz zudem als Entrée zur Innenstadt dient, kommt auf subtile Weise auch in der fächerartig verschwenkten Fassade des Bürogebäudes zum Ausdruck, das dem denkmalgeschützten Bahnhof direkt gegenüberliegt. Der nach Plänen des Hamburger Büros Hadi Teherani Architects auf einem ehemaligen Parkplatz errichtete Neubau trägt, abgeleitet von der postalischen Adresse, die Bezeichnung „Mercator One“.

Mit seiner klar gegliederten Fassade aus gleichförmigen raumhohen Fenstern und einem streng rechteckigen Raster aus anthrazitfarbenen Aluminiumpaneelen vermittelt der Neubau unaufgeregte Präsenz. Damit harmoniert das Gebäude mit dem Anfang der 1930er-Jahre im Stil der neuen Sachlichkeit errichteten und in Sichtweite befindlichen Bahnhofsgebäudes. Dank der geschossweise in gleichmäßigen Schritten verdrehten Etagen wirkt das 100 m lange, 17 m breite und 26 m hohe Gebäude zugleich aber auch ausgeprägt dynamisch. Beträgt diese Drehung an den Längsseiten auf ganzer Länge kaum spürbare 30 cm, kragt das 5. Obergeschoss an beiden Stirnseiten stattliche 14 m über das Erdgeschoss aus. „Diese Bewegtheit lässt den Baukörper aus jeder Perspektive ein wenig anders erscheinen. Darüber hinaus lenkt sie die Blicke und Bewegungsflüsse der Passanten auf dem Weg vom Bahnhof zur Innenstadt“, erläutert der projektverantwortliche Architekt Bernd Muley.

Die verdrehten Etagen lässt den Baukörper aus jeder Perspektive ein wenig anders erscheinen.
Architekt Bernd Muley

Entscheidend für die Auswahl der Materialien bei diesem Projekt war der eng gesteckte Kostenrahmen, der den Architekten aber nicht ungelegen kam. Schließlich wollten sie ohnehin keine Glamourarchitektur, sondern ein auf solide Art elegantes Gebäude schaffen, dessen Charakter Duisburg als Stadt der Arbeiter und der Metallindustrie widerspiegelt. Dieser Idee folgend entwickelten sie ein Konzept, das nur wenige Materialien, vor allem Aluminium, Beton, Stahl, Glas und Keramik, vorsah und den Einsatz von Kunststoffen und Verbundkomponenten vermied. So wird es möglich sein, die Baustoffe am Ende der Lebensdauer des Hauses sortenrein rückzubauen und als Ressource der Kreislaufwirtschaft zuzuführen. Dass diese Form der Nachhaltigkeit auch heute schon funktioniert, zeigen die Architekten am Beispiel der Aluminiumfassade: Deren Paneele bestehen aus bis zu 90 Prozent recyceltem Aluminium, das aus Abrissprojekten, Autos und Lebensmittelverpackungen gewonnen wurde.

„Gemäß unserem Anliegen, nur reine, ehrliche Materialien zu verwenden, verfügt das Gebäudeinnere über die gleiche puristisch-elegante Anmutung wie die Fassade“, sagt Muley. Die öffentlichen Bereiche wie zum Beispiel das Foyer und die Aufzugsflure folgten dabei dem zum Ruhrgebiet passenden Credo „rough and tough“, so der Architekt. Nach Passieren der Foyerverglasung, die als Reminiszenz an den Kartografen Gerhard Mercator, der seit seinem 40. Lebensjahr in Duisburg lebte und an der zu der Zeit neu gegründeten Universität Duisburg lehrte, mit einer pixeligen Weltkarte bedruckt ist, steht man in einem Foyer mit authentisch-rohen Materialien.

Die Wände sind mit naturbelassenen Faserbetonplatten bekleidet. Türen und Briefkästen bestehen aus gewachstem Stahlblech, dessen dunkler Farbton mit den Fensterprofilen korrespondiert. Und am Boden finden sich Basalt farbene 60 x 120 cm großeKeramikfliesen. Dort setzt sich der Sauberlaufteppich des Foyers im Sinne visueller Barrierefreiheit als mittiges Band aus mittelgrauen Fliesen fort.

Wer den ebenfalls mit großformatigen Keramikfliesen ausgestatteten Aufzug nach oben nimmt, gelangt in die analog zum Foyer von wenigen ausgewählten Materialien geprägten Verteilerflure vor den vier gewerblich genutzten Mieteinheiten mit Flächen zwischen 360 und 430 m². Deren Sanitärbereiche und Teeküchen verfügen über die gleichen basaltgrauen Bodenfliesen wie das Foyer, teilweise ergänzt durch basalt- und mittelgraue Wandfliesen. Die puristische Stringenz endet schließlich an den Türen zu den Mietbereichen.

Die zeitlose Ästhetik fernab von modischer Kurzlebigkeit ist ebenso ein Garant für eine lange Nutzungsdauer des Gebäudes wie die Dauerhaftigkeit und hohe Qualität der Materialien. Zukunftssicher sind aber auch der Verzicht auf Verbundmaterialien, um so das spätere Recycling zu erleichtern, und die Flexibilität der Grundrisse. Dank tragender Außenfassade sind die Büroflächen nahezu stützenfrei, so dass sie sehr flexibel bespielbar sind und vielfältige Nutzungsszenarien ermöglichen.

  • .Basalt- und mittelgraue Fliesenstreifen weisen pfeilförmig zum Aufzugtaster.

  • Basalt- und mittelgraue Fliesenstreifen weisen pfeilförmig zum Aufzugtaster

  • Puristisch-elegante Materialien prägen das Foyer: Großformatige keramische Bodenfliesen, Wände aus Faserbetonplatten, Türen und Briefkästen aus gewachstem Stahlblech.

  • Bei den 30 x 60 cm großen Wandfliesen in der Toilette für Menschen mit Handicap kommt die ausdrucksstarke Optik der mittel- und basaltgrauen Fliesen besonders gut zur Geltung.

  • Die Sanitärbereiche verfügen über die gleichen basaltgrauen Bodenfliesen wie die Aufzugvorräume und die Foyers South / North.

Aus
STEIN.KERAMIK.SANITÄR
Ausgabe 4.2021

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Fotos.
Agrob Buchtal GmbH / Jochen Stüber

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Gerhard Mercator (geboren am 5. März 1512 in Rupelmonde, Grafschaft Flandern, gestorben 2. Dezember 1594 in Duisburg,) war ein Geograph und Kartograf, der schon zu Lebzeiten als der Ptolemäus seiner Zeit angesehen wurde und bis in die arabisch-islamische Welt berühmt war. Er hieß eigentlich Gheert Cremer - latinisiert Gerardus Mercator („Kaufmann“), deutsch auch Gerhard Krämer. Obwohl Duisburg allgemein mit Hochöfen und dem Welt größten Binnenhafen in Verbindung gebracht wird, ohne Mercator geht hier kaum etwas. Es gibt die Mercatorhalle, die Mercator-Gesellschaft, das Mercator-Gymnasium, die Shopping-Mall „Mercator Center“ und sogar ein Schiff namens „MS Gerhard Mercator“, mit dem man eine Hafenrundfahrt machen kann. Und seit Neuesten eben auch das beschriebene „Mercator One“. Berühmt machte ihn ohne Zweifel seine große Weltkarte von 1569 (Nova et aucta orbis terrae descriptio ad usum navigantium), eine bis heute wegen ihrer Winkeltreue für die Seefahrt (und Luftfahrt) wichtige Projektion, die als „Mercator-Projektion“ bekannt wurde. Doch Mercator war im 16. Jahrhundert auch als Kosmograf, Theologe und Philosoph von großer Bedeutung und setzte Maßstäbe als Schriftkünstler.

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Die Architekten des Büros Hadi Teherani Architects (www.haditeherani.com) haben beim Bau des „Mercator One“ in Duisburg fast komplett auf Kunststoffe und Verbundkomponenten verzichtet, deshalb gehörte Keramik zu den angesagten Ausstattungsmaterialien. Ausgewählt wurde die Kollektion „Nova“ der Marke Agrob Buchtal in der Farbstellung Basalt. Mehr Informationen über das Gebäude selbst auf der Internetseite der Duisburger Stadtentwicklungs-Gesellschaft: https://www.duisburg.de/microsites/pbv/planen_bauen/mercator-one.php. Mehr über den Namen gebenden Wissenschaftler: https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Mercator.

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