FEUERWEHR REGENSBURG RESIDIERT WIE IM KULTURPALAST

Foto: agrob-buchtal.de / Herbert Bürger, Schwandorf

Man könnte trefflich darüber streiten, ob man der Architektur eines Gebäudes dessen Bestimmung ansehen muss. Muss man also eine Feuerwache schon am architektonischen Outfit als solche erkennen? Die Regenburger Stadtplaner mitsamt dem Büro Diezinger Architekten (Regensburg / Eichstätt) haben das verneint

Aus gutem Grund.

Denn Regensburg, mit rund 170 000 Einwohner die Hauptstadt des bayerischen Regierungsbezirks Oberpfalz, bietet nicht nur eine hohe Lebensqualität. Direkt an der Donau gelegen, mit Unesco-Weltkulturerbe geadelter Altstadt (seit 2006), einem bekannten Dom und samt fürstlichen Schloss versammelt sich hier so viel architektonische Prominenz, der sich auch die städtische Feuerwehr nicht verschließen kann.

Somit vervollständigt die neue Hauptfeuerwache in der Greflingerstraße 20 die Highlights der Stadtkulisse seit Ende 2019 mit einer Hauptfeuerwache, der man ihre wahre Funktion nicht ansieht und die sich somit stilvoll in Stadtarchitektur eingliedert. Da sich diese Infrastruktur-Einrichtung in zentraler urbaner Lage befindet, ist die städtebauliche Verantwortung, der man in diesem Fall gerecht werden wollte, entsprechend groß

Die Fotos der Innenhofseite zeigen den differenzierten Farbenkanon, der beim zweiten Bauabschnitt fortgesetzt werden soll. Die Bandbreite spannt sich von kräftig-erdigem Cotto (links oben) bis hin zu einem mystischen Blau-Violett (rechts unten)

Ausgangslage: historisch gewachsen

Die Regensburger Hauptfeuerwache wurde 1963 errichtet, 1982 erweitert und von 2001 bis 2004 vergrößert, hauptsächlich um eine integrierte Leitstelle für die angrenzenden Landkreise und die Stadt zu schaffen. Bereits 2004 war eine Generalsanierung der Bestandsgebäude angedacht, da einerseits die ursprüngliche Substanz abgenutzt war, aber anderseits der Raumbedarf für Einsatzfahrzeuge und Büroflächen stetig stieg. Aber erst 2013 wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben und nach dessen positiven Ergebnis 2014 ein Realisierungswettbewerb ausgelobt. Daraus ging das Büro Diezinger Architekten als Sieger hervor und erhielt im Frühjahr 2015 den Auftrag zur Umsetzung des Neubaus in zwei Bauabschnitten und bei laufendem Betrieb, der aus Sicherheitsgründen stets gewährleistet sein musste.

Der erste dieser beiden Bauabschnitte konnte Ende 2019 abgeschlossen werden: Innerhalb des großen urbanen Gesamtensembles mit mehreren Trakten bildet der Neubau eine wesentliche Komponente des parallel zur Greflingerstraße befindlichen Gebäuderiegels, der jetzt aus drei zusammenhängenden Teilen besteht, die überwiegend Einsatzfahrzeuge und Funktionsräume beherbergen. Der rechte Teil blieb unverändert, der mittlere (zweiter Bauabschnitt) wird abgerissen und erneuert. Der linke Teil ist der besagte Neubau des ersten Bauabschnitts, bei dem außen wie innen auf überdurchschnittliche Gestaltungsqualität Wert gelegt wurde.

Ob Sanitärbereiche, Duschen, Verkehrsflächen oder „Schwarz-Weiß-Schleuse“ (rechts): Keramikfliesen fungieren als gestalterisches Bindeglied im gesamten Neubau. Gemeinsames Merkmal aller Bereiche ist der wohldosierte Umgang mit dem architektonischen Stilmittel Farbe durch einen spannungsreichen Mix intensiver und neutraler Töne

Außen: Keramischer Maßanzug mit Farbverläufen

Dabei spielen keramische Produkte gewissermaßen eine tragende Rolle. Die Fassade des Neubaus wurde mit Fliesen im Rechteckformat 15 x 75 Zentimeter bekleidet. Eine augenfällige Besonderheit ist der differenzierte Farbverlauf aus mehreren, fließend ineinander übergehenden Tönen. Das Spektrum reicht von kräftig-erdigem Cotto bis hin zu einem mystischen Blau-Violett, das aufgegriffen wird von den seitlichen Wangen der rückspringenden Fenster. Diese folgen bewusst einem strengen Rhythmus und verleihen so dem Baukörper eine horizontale und vertikale Stringenz, die das Gebäude filigran und doch präsent wirken lässt. Die fein abgestimmten Nuancen der Fassadenkeramik wurden von Diezinger Architekten gemeinsam mit dem Farbberater Herbert Kopp aus München konzipiert und individuell für dieses Projekt gefertigt.

Das Ergebnis ist ein im besten Sinne ungewöhnlicher Farbkanon, der das funktionsbedingt recht mächtige Gebäudevolumen spielerisch leicht und filigran, aber dennoch selbstbewusst erscheinen lässt: Wären da nicht die verglasten Garagen der Einsatzfahrzeuge im Erdgeschoss, könnte man auch ein Museum oder eine andere kulturelle Nutzung hinter der Hülle vermuten. Diese wertige Anmutung und der Duktus der Fassade sollen beim zweiten Bauabschnitt nahtlos fortgesetzt werden: Nach Abbruch ab 2020 und Neubau des mittleren Bestands-Gebäudes von 1963 wird der 120 Meter lange Riegel dann 2022 noch ausgeprägter durch lebendige Homogenität, reizvolle Materialität und künstlerische Fassadenanmutung in Erscheinung treten.

Innen: Keramische Haute Couture

Eine funktionale Infrastruktur-Einrichtung wie eine Hauptfeuerwache kann durchaus mit ästhetischen Qualitäten überraschen und das Stadtbild bereichern“

Andreas Weingut von der Diezinger Architekten GmbH

Der hohe Anspruch setzt sich im Innenbereich fort. Auch hier fungieren Keramikfliesen als identitätsstiftendes Bindeglied. In den Fluren, Sanitärbereichen, Umkleiden und der Profi-Küche stehen Farbakzente in Gelb und Rot im Dialog mit neutralem Weiß und Anthrazit. Sorgfalt im Detail bei Planung und Ausführung belegt die akkurate Verlegung der Wand- und Bodenfliesen im Fugenschnitt. Dabei wurde sogar der liegend eingesetzte keramische Kehlsockel als optisch eleganter und reinigungsfreundlicher Wand-Boden-Übergang mit einbezogen. Eine spezielle Funktion hat der so genannte Schwarz-Weiß-Bereich. Dieser Begriff steht für eine Schleuse, in der die Feuerwehrleute nach Einsätzen „von schmutzig nach sauber“ wechseln. Selbst in dieser absolut auf Zweckmäßigkeit ausgelegten Zone kommt die Optik nicht zu kurz, wie vorbildliche Beleuchtung, Fugenschnitt und sorgfältige Aufteilung der Fliesen belegen. Das Ergebnis sind Räume und Verkehrsflächen, die praktischen Nutzen mit dem rauen Charme von „industrial style“ verbinden.

Der Gebäuderiegel entlang der Greflingerstraße: links der Neubau des ersten Bauabschnitts, in der Mitte der im zweiten Bauabschnitt abzubrechende und neu zu errichtende Teil.

Selbst hinter den Kulissen wie in der Profi-Küche haben Diezinger Architekten bei aller gebotenen Funktionalität auch auf Ästhetik geachtet - hier beispielsweise mit quer verlegten Wandfliesen in einem großzügigen Format

Aus
STEIN.KERAMIK.SANITÄR
Ausgabe 6.2020


Die Fassade der Regensburger Feuerwache wurde mit Fliesen des Agrob-Buchtal-Systems „KeraTwin K20“ (https://facade.agrob-buchtal.de/de/fassadenverkleidung-keratwin) im Rechteckformat 15 x 75 Zentimeter bekleidet. Über die Regensburger Feuerwehr: https://www.regensburg.de/feuerwehr/berufsfeuerwehr. Die Architekten: https://www.diezingerarchitekten.de/. Die Begründung der Deutschen UNESCO-Kommission für die Aufnahme der Regensburger Altstadt als Welterbe: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/welterbe/welterbe-deutschland/altstadt-von-regensburg-mit-stadtamhof.


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