GROSSER AUFTRITT FÜR FINNISCHE „LEISESPRECHER“

Foto: agrob-buchtal.de / Riikka Kantinkoski

Dass nun ausgerechnet „Speakeasy Bar“ als Vorbild für die aktuell sehr angesagte Cocktailbar „Bardem“ in Helsinki diente, hat vermutlich weniger mit der Geschichte eines solchen Etablissements zu tun als mit der besonderen Atmosphäre.

Immerhin datierte der Ursprung auf die Jahre der Alkoholprohibition in den USA von 1919 bis 1933, als es darum ging, in diesen „Flüsterkneipen“ möglichst leise zu sprechen, damit Passanten draußen nicht mitbekamen, was drinnen gesprochen wurde und dass Alkohol ausgeschenkt wurde. Auch von der damaligen Nähe zur organisierten Kriminalität kann keine Rede mehr sein (siehe InfoKasten).

Heute muss in den „Speareasy Bars“ nicht mehr beim Genuss von alkoholischen Getränken nicht mehr geflüstert werden und man braucht auch kein Codewort mehr für den Eintritt. Die Zeiten überlebt aber hat der besondere Einrichtungsstil, der in vielen Städten weltweit total „hip“ ist und der in der „Bardem“ geradezu zelebriert wurde.

Die Cocktailbar avancierte für Freunde der gepflegten Barkultur schnell zu einer neuen Anlaufstelle im Herzen von Helsinki. Das eigenständige Interieurkonzept stammt aus der Feder des renommierten lokalen Designstudios Fyra, das von der finnischen Vereinigung der Innenarchitekten als „Interior Architecture Agency of the Year 2020“ ausgezeichnet wurde. Sie greifen in einer modernen Interpretation das Prinzip einer Speakeasy Bar auf und spielen stilsicher mit der Verbindung von Alt und Neu. Die Betonung lag dabei auf dem bewusst dezent beleuchteten und atmosphärisch geheimnisvollen Raum der großen zentrale Bar.

Von der Verkaufsfläche zum Hotspot für gepflegte Barkultur

Die Cocktailbar befindet sich in einer bevorzugten Lage inmitten von zahlreichen Bürogebäuden, aber auch Geschäfte haben sich hier angesiedelt und bieten vielfältiges Potenzial für ansprechende Gastronomiekonzepte. Die Intention von Hans Välimäki und Arto Rastas, die nur einen Steinwurf entfernt bereits das Tapas-Restaurant Penélope betreiben, bestand darin, einen trendigen und modernen Ort für Nachtschwärmer ins Leben zu rufen. Gleichzeitig wollten sie aber auch das klassische After-Work-Publikum ansprechen, das in entspannter Atmosphäre den Feierabend einläutet.

Für die Innenarchitekten bestand die Herausforderung darin, für eine ehemalige Verkaufsfläche ein Barkonzept zu entwickeln, das die Gäste anzieht und eine Rückzugsmöglichkeit vom hektischen Alltag bietet. Sie entschieden sich, eine Bar zum Zentrum des Raums und zum Herzstück des gesamten Interior-Design-Konzeptes zu machen. Insbesondere die Rundungen der Bar, die durch Holzpaneele mit einem hellen, honigfarbenen Finish bekleidet sind, fallen hierbei ins Auge. Perfekt arrangierte Spirituosen ergänzen zusammen mit stilvollen, gemäldeähnlichen Wanddekorationen die großzügige Theke.

Speakeasy-Bar: Gedämpftes Licht und dunkle Farben

Zur geheimnisvollen Anziehungskraft einer Speakeasy Bar tragen die gedämpfte, stimmungsvolle Beleuchtung als auch die dunklen Interieur-Farben bei. Ein vorhangähnlicher marineblauer Hintergrund in Samtoptik versprüht einen Hauch von klassischem Theatercharme, während tiefe Polstermöbel die Gäste zum Einsinken und Entspannen einladen. Das Interieur verbindet auf natürliche Weise Altes mit Neuem. So verleihen beispielsweise Vorhänge und recycelte Möbel, die neu gepolstert wurden, dem Raum Weichheit und Intimität. Die gedämpfte Beleuchtung bietet zudem Schutz vor neugierigen Blicken und gibt den Gästen die Ruhe, sich zu entspannen.
Ein besonderes Highlight an der Wand schuf Fyra mit Hilfe von keramischen Fliesen, die dank besonderer Fertigungstechnik im klassischen Tunnelofen eine Manufaktur ähnlich Anmutung aufweisen. Das Studio setzte den Belag in unterschiedlichen Farben ein und spielte insbesondere mit den hochglänzenden Glasuren. „Die Fliesen spielen eine wichtige Rolle in unserem Interieur-Konzept, denn sie bringen Leben in den dunklen, schwach beleuchteten Raum“, erläutert Laura Järvinen, federführende Innenarchitektin bei diesem Projekt. „Die hochglänzende Oberfläche harmoniert hervorragend mit den weichen Formen und Materialien, die wir in dieser Bar verwendet haben.“ Das Arrangement in mehreren horizontalen Reihen und mit Hilfe eines Farbverlaufs wurde so ein perfektes optisches Bindeglied zwischen Boden und Decke geschaffen.

Keramische Fliesen spielen elementare, stimmungsbildennde Rolle

Die hier verwendete keramische Fliesenserie „Craft“ ist in verschiedenen Varianten und Farben erhältlich. Fyra entschied sich für die Variationen Mittelgrau, Olivgrün geflammt und Benitblau. Die auf mittiger Höhe eingesetzten Riemchen mit Wellenprofil (ebenfalls olivgrün) geben der Wand eine rhythmisch-dreidimensionale Gliederung und erzeugen je nach Lichteinfall unterschiedliche optische Effekte. Wohl austariert adaptieren sowohl die Polsterung der Sitzbank, die Wandleuchten als auch die Falten des darüber hängenden mehrschichtigen Vorhangs die Textur des Riemchenformats.

Alle Fotos: agrob-buchtal.de / Riikka Kantinkoski

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Aus
STEIN.KERAMIK.SANITÄR
Ausgabe 5.2020

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INFO:
Speakeasys“ wurden von Mitgliedern organisierter krimineller Banden betrieben und sorgten für hohe Profite der organisierten Kriminalität in den USA. Für Gangster wie Al Capone, George Moran und Dutch Schultz („Bierbaron der Bronx“) waren diese Clubs die lukrativste Einnahmequelle und trugen stark zum Wachstum der organisierten Kriminalität bei. Verkauf und Ausschank von Alkohol waren im US-Bundesstaat New York, der auch die Stadt New York City umfasst, gesetzlich landesweit untersagt, wie in einigen amerikanischen Bundesstaaten bereits Jahre vorher. Die Speakeasys bildeten eine der wenigen Möglichkeiten, das Verbot zu umgehen. Der Name rührt daher, dass dort leise gesprochen werden sollte, damit vorübergehende Passanten nichts von den anwesenden Zechern hören konnten. Bars in diesem Stil sind weltweit angesagt. Allein in Berlin soll es über 20 Bars geben, die sich ihm verschrieben haben.

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DIE FLIESEN:
Die Fliesenserie „Craft“ (von Agrob Buchtal GmbH) ist eine Kollektion, die im Zusammenspiel mit Brenntemperatur und offener Flammführung besonders markante und intensive Colorationen erzeugt. Hochglänzende Glasuren ermöglichen darüber hinaus eine imposante optische Tiefe sowie ein lebendiges Farbspiel. Keramikfliesen werden heute überwiegend liegend per Schnellbrand und im Rollenofen hergestellt. Craft hingegen wird stehend per Langzeitbrand im klassischen Tunnelofen gefertigt. Dort kreiert das natürliche Spiel des Feuers eine urwüchsig-archaische Optik und ermöglicht dadurch Ergebnisse mit Unikat-Charakter.

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DIE DESIGNER:
Das Büro Fyra (deutsch „vier“) wurde 2010 gegründet und ist eines der führenden Innenarchitekturbüros in Finnland.

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