NEUES LEBEN FÜR EINEN ALTEN WASSERTURM

Wassertürme haben in Deutschland eine lange Tradition: Besonders viele entstanden ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie stellten Trinkwasser bereit, dienten aber auch der Wasserversorgung von Dampflokomotiven. Zudem sorgten sie für einen gleichbleibenden Druck im Leitungsnetz der Trinkwasserversorgung. In ihrem Erscheinungsbild nehmen Wassertürme ganz unterschiedliche Gestalt an: vom burgartigen Gemäuer über filigrane Eisenkonstruktionen bis hin zu gigantischen Stecknadeln. Heute haben sie in ihrer ursprünglichen Funktion meist ausgedient, bieten jedoch großes Potenzial für den Umbau.

"Wir konnten vorab nicht mit dem Bauamt klären, was machbar ist"
Katrin Wirth, Daniel Alonso González

Ob Wohnen, Gastronomie, Galerie, Schule, Kita, Büro oder Aussichtsturm: den Möglichkeiten für eine Neugestaltung sind kaum Grenzen gesetzt. Ein Beispiel für eine solche erfolgreiche Umnutzung findet sich in Potsdam. Hier hat das Architektenpaar Katrin Wirth und Daniel Alonso González einem vergleichsweise kleinen Objekt von 22 Metern Höhe und sechs Metern Durchmesser auf der untersten Ebene des Schafts neues Leben eingehaucht.
Als Katrin Wirth und Daniel Alonso González von Wirth Alonso Architekten auf das verfallene Gebäude aufmerksam wurden, blieben nur zwei Tage Zeit für eine Entscheidung. „Wir konnten vorab nicht mit dem Bauamt klären, was machbar ist. Aber das Risiko hat sich gelohnt“, erzählt Katrin Wirth. Die Tatsache, dass das Gebäude nicht unter Denkmalschutz, jedoch aufgrund seiner Nähe zum UNESCO Weltkulturerbe Park Sanssouci und zum Wildpark unter Umgebungsschutz steht, erleichterte das Sanierungsvorhaben. Die Geschichte ihres Wasserturms lässt sich aufgrund verloren gegangener Dokumente kaum nachvollziehen: Vermutlich entstand der Bau um 1910 als Versorgungsturm für Dampflokomotiven. Nach deren Ablösung durch Diesel- und Elektroloks stand der Turm etwa seit Anfang der 1980er Jahre leer. Nahe der Bahnstrecke zwischen Sanssouci und Werder und inmitten zahlreicher Ausflugshighlights gelegen, bot das Objekt optimale Bedingungen für eine touristische Nutzung als Ferienwohnung. Bis zu acht Personen finden hier Platz. Da auch die Architekten selbst die idyllische Gegend sehr zu schätzen wissen, bauten sie das anliegende Turmwärterhäuschen als privates Wochenenddomizil aus.

Historische Bausubstanz in idyllischer Lage

Heute erstrahlen beide Objekte in neuem Glanz, doch der Umbau brachte Herausforderungen mit sich, denn die Substanz hatte den langen Leerstand unterschiedlich verkraftet. Der Wasserbehälter besteht aus 6 mm dickem genietetem Stahl, welcher einst 100 m³ Wasser beinhaltete. Die völlig verrosteten Wände wurden sandgestrahlt und mehrfach beschichtet. Die Betonteile, die den Wassertank ummantelten, mussten ersetzt werden. Hier fanden die Architekten eine gleichermaßen charmante und effektive Lösung: Ein neues Kleid aus Trapezlochblechen zeichnet die alten Proportionen nach, lässt die originale Konstruktion durchschimmern und schützt zugleich die außenliegende Wärmedämmung des Turmkopfs. Ein neues Flachdach fungiert als Dachterrasse und bietet Gästen einen 360-Grad-Blick in die Natur.

Einblicke in das "Wohnen im Wasserturm": Schlafbereich, Küche, Bad und Wohnzimmer (von links)

Zwischen die Schlafebenen und den „Wohnzimmertank“ schiebt sich ein weiterer Raum, der als Museum mit Fotografien und originalen Fundstücken eine Hommage an die Geschichte des Turms darstellt

"Die größte Herausforderung waren die Wände; sie sind zugleich rund und schräg"
Katrin Wirth, Daniel Alonso González

Während das Mauerwerk in gutem Zustand war, hatten die Stahlteile stark gelitten. Daher entschieden sich die Architekten dazu, sowohl die Wände als auch die gemauerte Kuppeldecke im Erdgeschoss, die originale Wendeltreppe, ihre Brüstungen und vor allem den Wassertank mit dem Sandstrahler zu bearbeiten. Bei Letzterem handelt es sich um einen nach dem Ingenieur Otto Intze typisierten Behälter, durch dessen Mittelpunkt ein Zylinder mit Rohrleitungen bis ganz hinunter führte. Daran erinnern heute sowohl das kreisrunde Loch zwischen Erdgeschoss und erster Ebene als auch der Treppenausstieg in das Wohnzimmer, das im ehemaligen, nun weiß lackierten Wassertank untergebracht ist.
Der Innenausbau des historischen Objekts zeichnet sich an vielen Stellen durch maßgeschneiderte Lösungen aus. So hat das Architektenpaar zum einen die alte und sehr enge Wendeltreppe komfortabler gestaltet, indem es die Brüstung abnehmen und vom Schlosser nach außen biegen ließ. Auf diese Weise konnte die Laufbreite von 60 auf 70 Zentimeter erweitert werden. Um die Belichtung zu verbessern und Fluchtwege zu garantieren, wurden die vorhandenen Schlitzfenster durch größere ergänzt. Zwischen die Schlafebenen und den Wohnzimmertank schiebt sich ein weiterer Raum, der als winziges Museum mit Fotografien und originalen Fundstücken eine Hommage an die Geschichte des Turms darstellt, in welchem man noch die alten Abfüllregler sehen kann.

Ein neues Kleid aus Trapezlochblechen zeichnet die alten Proportionen des ehemaligen Wasserbehälters nach. Dessen Decke wurde zu einer Dachterrasse mit weitem Rundum-Blick umfunktioniert.

Aus
STEIN.KERAMIK.SANITÄR
Ausgabe 2.2021

-

-

-

-

-

-

-

Fotos:
Wirth Alonso Architekten / Grohe AG

Der Wasserturm wurde schätzungsweise um 1910 gleichzeitig mit dem alten Kaiserbahnhof Wildpark erbaut. Er gehörte der Deutschen Reichsbahn und diente zur Wasserversorgung der Dampfloks. Genaue Daten liegen hierzu nicht vor. Nach Aussagen von Zeugen endete die Nutzung als Wasserturm Anfang 1980 mit Umstellung der Lokomotiven auf Diesel- und Elektrobetrieb. Der Wasserturm stand viele Jahrzehnte leer und verfiel immer mehr (Foto). Eine geplante Sprengung wurde glücklicherweise aus Sicherheitsgründen nicht durchgeführt. Schließlich kaufte Wirth Alonso Architekten (https://www.wirth-alonso.de/) den Turm Anfang 2014 und bauten ihn zur Ferienwohnung aus: Wohnfläche 130 m² auf sechs Etagen, Projektzeitraum 2014 bis 2017. Die Ausstattung der Bäder mit Armaturen erfolgte mit Produkten der Grohe AG (https://www.grohe.de/de_de/)


-

-

-

-

.

.

.

.

.

-

-

-

-

Den Beitrag teilen: