„Unsere Stadt soll schöner werden“ – weltweit ist dieser Wunsch bei Bevölkerung und Kommunen präsent, wenn auch eher seltener erfüllt. In der jüngeren Vergangenheit ist zu beobachten, dass die kommunalen Verwaltungen ihre Bemühungen diesbezüglich verstärken. So durchstreifen vielerorts zum Beispiel „Müll-Detektive“ Stadt und Land auf der Suche nach wilden Müll-Ablagerungen. Ein besonderer Stein des Anstoßes sind nicht zuletzt so genannte „öffentliche Bedürfnisanstalten“, die, sofern überhaupt vorhanden, eher dazu angetan sind, einen großen Bogen um sie herum zu machen.
Ein im wahren Wortsinn leuchtendes Beispiel, was seitens der öffentlichen Hand möglich ist, kommt aus Tokio. Allgemein bekannt ist, dass die Japaner grundsätzlich ein besonders kritisches Verhältnis zur Toiletten-Hygiene haben. Nicht umsonst gehört in Fernost ein Dusch-WC gewissermaßen zur Standard-Ausstattung auch privater Sanitärräume. Zwar haben es die Japaner nicht erfunden (die Schweizer waren es), es aber übernommen, technisch aufgerüstet und verbreitet. Federführend war unbestritten der japanische Sanitärhersteller Toto, der sich als Marktführer in dieser Disziplin bezeichnet. Kaum überraschend ist es deshalb, dass das Unternehmen sich beratend in die Initiative „Tokyo Toilets“ einbrachte, die die Stadtverwaltung von Shibuya, einem Stadtteil von Tokio, gemeinsam mit der Nippon Foundation, einer privaten, gemeinnützigen Organisation, auf den Weg brachte.
Das Ziel: Die „stillen Orte“ inmitten der Millionenmetropole architektonisch und hygienisch auf dem neuesten Stand der Technik zu bringen. Auslöser waren zweifellos die Olympischen Spiele, die eigentlich 2020 stattfinden sollten, aber wegen der Pandemie verschoben wurden. Bekannte Architekten wie Shigeru Ban und Tadao Ando sollten öffentliche Toiletten neu gestalten, damit Besucher in den Genuss eines zu jeder Tages- und Nachtzeit freundlichen und sauberen Ortes kommen. Geplant sind 17 Objekte, von denen aktuell sieben fertig gestellt sind. 2021 soll das Projekt seinen Abschluss finden, das unter anderem ein Ausdruck der weltweit geschätzten japanischen Gastfreundschaft ist, der Omotenashi-Kultur.
Wir hoffen, dass das Projekt Besuchern aus dem Ausland die Möglichkeit geben wird, das Gefühl japanischer Gastfreundschaft zu erleben, das in diesen Toiletten eingebettet ist.
Satoshi Shirakawa, Executive Vice President und Representative Director Toto Ltd.
Seit jeher spielen in der japanischen Kultur Hygiene und Reinheit eine außergewöhnliche Rolle. Die Reinheit des Körpers wird seit Jahrhunderten in der Bäder-Tradition gelebt, und Toiletten haben in diesem Zusammenhang einen besonderen Stellenwert. Sie sind Symbol dieser Omotenashi-Kultur, Ausdruck einer zuvorkommenden Gastfreundschaft. Daher sollen künftig auch die Toiletten im öffentlichen Raum schöner, einladender und besser zugänglicher werden. Auch wenn Japans öffentliche Toiletten grundsätzlich vergleichsweise sauber sind, ist das Hygienebewusstsein mittlerweile noch größer geworden und gibt es auch in diesem Bereich noch einiges zu verbessern. Die vom japanischen Stararchiteken und Pritzker Preisträger Shigeru Ban gestalteten Toilettenpavillons im Yoyogi Fukamachi Park und im Haruno-Ogawa Community Park bergen eine Besonderheit: Von außen sind die Wände transparent und Passanten können die Toilettenräume einsehen. Dies birgt einen Überraschungseffekt.
Dank einer neuartigen Technologie ist es möglich, dass das verglaste Toilettenhaus bei Nichtbenutzung transparent ist. Sobald die Verriegelung der Tür von Innen betätigt wird, verfärbt sich das Glas als undurchsichtige Wand, so dass der Nutzer von unliebsamen Blicken geschützt ist. Der Besuch der Toilette vermittelt, auch wenn die Transparenz anfangs ungewohnt ist, ein Gefühl von Sicherheit und besonderem Komfort.
Für die Umsetzung der neuen Konzepte setzten sich die Initiatoren gemeinsam mit dem Sanitähersteller mit der Frage auseinander, was die Nutzung einer öffentlichen Toilette sicher und bequem macht. Im Fokus steht der Aspekt, dass eine öffentliche Toilette vor allem auch von Menschen mit Beeinträchtigungen bequem genutzt und bedient werden kann. Bedacht wurde etwa, dass Rollstuhlfahrer ausreichend Raum benötigen. Andererseits können zu große Kabinen für sehbehinderte Menschen unkomfortabel sein. Auch die Bedürfnisse von Eltern mit Kindern und die Anforderungen von älteren Menschen flossen in die Studien ein. Wichtig waren auch Informationen zur Regelmäßigkeit der Säuberung und Wartung der Toiletten, ebenso zur Ausstattung mit sterilen und antibakteriellen Vorrichtungen.
Bis November 2020 wurden sieben der geplanten Projekte realisiert, unter anderem im Ebisu Park (Architekt: Masamichi Katayama Wonderwall), im Jingu- Dori Park (Architekt: Tadao Ando), im Yoyogi Fukamachi Mini Park Architekt: Shigeru Ban), im Nishihara Itchome Park (Architekt: Takenosuke Sakakura) und im Haru-no-Ogawa Community Park (Architekt: Shigeru Ban).
Der Innenarchitekt Masamichi Katayama wollte mit seinem Toilettenhaus im Ebisu Park ein Objekt gestalten, das wie beiläufig im Park steht, als wären es Spielgeräte, Bänke oder Bäume. Es besteht aus insgesamt 15 Betonwänden mit integriertem Beleuchtungskonzept. (Fotos: The Nippon Foundation)
Blick in die von Tadao Ando entworfene Jedermann-Toilette, in der sich sogar ein Babystuhl, ein Wickeltisch befinden und ein Stoma-beutel geleert werden kann. Wie alle Toiletten des Projektes „Tokyo Toilets“, ist der Raum von der japanischen Gastfreundschaft geprägt, der Omotenashi-Kultur. (Foto: The Nippon Foundation)