Die Norwegische Kirche, eine evangelisch-lutherische Volkskirche, ist die größte Glaubensgemeinschaft in Norwegen. In Porsgrunn, wo sich Norwegens einzige noch produzierende Porzellanfabrik „Porsgrunds Porselæn“ befindet, stand bis 2011 eine weiße, aus dem Jahr 1760 stammende Holzkirche im Rokoko-Stil. Sie wurde durch Brandstiftung zerstört. Nach der Zerstörung der ursprünglichen Kirche gab es eine lange Diskussion in der Bevölkerung, die in einen Wettbewerb für den Neubau mündete. 2015 stand der Gewinner fest und man begann mit dem Projekt, das 2019 vollendet wurde. Der Entwurf stammte von Architekt Espen Surnevik in Zusammenarbeit mit den Trodahl Architects. Die neue Kirche des Ortes ist eine sogenannte „Auferstehungskirche“, die durch Licht und Optimismus eine Zukunft für die Gemeinde bieten will.

Die Architektur ist rein weiß, ohne Zierrat und Schnörkel

Und ganz in der Tradition des als Ikonoklasmus bezeichneten Bildersturmes, also der Zerstörung heiliger Bilder oder Denkmäler der eigenen Religion, ist die Architektur rein weiß, ohne Zierrat und Schnörkel. Auch in ihrem Inneren gibt es keine Bilder mit Ausnahme eines riesigen Wandbildes bzw. Reliefs aus Porzellanfliesen an der Rückseite des Chors. Sämtliche Außenwände und Innenräume sind mit großformatigen, weißen Porzellanfliesen bedeckt, eine Referenz an die örtliche Porzellanproduktion von Porsgrunn. Aber wie schon der Kunsthistoriker Horst Bredekamp (siehe rechts) schrieb, gehörten die bilderstürmerischen Theorien zu den großen geistigen Hervorbringungen ihrer Zeit, und die Formen ihrer praktischen Übersetzung waren vielfältig und originell. So sucht auch hier die Geometrie der Kirche etwas Universelles, Zeitloses und Ewiges. Sie schafft einen Dialog zu dem umgebenden Friedhof und den vertikalen Grabmälern. In diesem Sinn kann der spitze, hoch aufragende weiße Kirchturm als archaisches Objekt wie ein Obelisk gedeutet werden.

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Elf ausdifferenzierte Volumina umgeben den Hauptraum der Kirche, sie bilden die lastabtragende Struktur für das Dach über dem Hauptraum der Kirche. Durch das Abrücken der einzelnen Teile vom Zentralraum entstehen genügend Zwischenbereiche, durch die Naturlicht ins Innere gelangen kann. Dazwischen spannen sich Träger und tragen insgesamt 24 selbstentwässernde Einzeldächer. Die Architektur betont ihre konstruktiven Träger, Balken und Unterzüge, um so einen Verweis auf die physikalischen Gesetze des Irdischen zu geben. Der Kontrast zu dunklen, gotischen Kirchenbauten, in denen das Tageslicht eher ausgeschlossen wurde, ist evident. Licht breitet sich über das Innere der Kirche wie ein spirituelles Gebet aus.

Der Chor der Kirche ist mit einem Porzellanrelief verziert, es zeigt einen Engel, der den Raum betritt und stammt von den norwegischen Künstlern Espen Dietrichson und Marie Buskov. Ein Oberlicht beleuchtet das Relief und den Raum davor. Der Kontrast zu dunklen, gotischen Kirchenbauten, in denen das Tageslicht eher ausgeschlossen wurde, ist evident. Licht breitet sich über das Innere der Kirche wie ein spirituelles Gebet aus. Der Chor der Kirche ist mit einem Porzellanrelief verziert, es zeigt einen Engel, der den Raum betritt und stammt von den norwegischen Künstlern Espen Dietrichson und Marie Buskov. Ein Oberlicht beleuchtet das Relief und den Raum davor.

Der Turm, mit seiner mit nur 3,3 Grad Neigung zusammenlaufenden Spitze ist das Wahrzeichen und prominenteste Volumen der Kirchenarchitektur im Ort. Er überragt alles. Die anderen Körper haben jeweils unterschiedliche Höhen, so wie es ihrer Wichtigkeit und Funktion entspricht. Der zweithöchste Körper ist der Chor, gefolgt von den Zwillingstürmen der Kapelle. Im niedrigen, hinteren Teil sind Technik und Nebenräume untergebracht. Abgesehen von den weißen Porzellanflächen sind nicht lasttragende Teile, Türen und Möbel aus Eichenholz und geben den Räumen einen warmen Anstrich als Kontrast zu den kühlen, abstrakten Porzellanflächen.

Aus
STEIN.KERAMIK.SANITÄR
Ausgabe 1.2021

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Text: Mag. Peter Reischer
Fotos: Rasmus Norlander

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INFO:
Horst Bredekamp ist Professor für Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg ebendort. Er ist Träger des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa, des Aby-M.-Warburg Preises, des Max-Planck-Forschungspreises sowie des Richard Hamann-Preises für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Kunstgeschichte.


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