Wenn man im ‑ zum Beispiel ‑ Design Museum London eine Installation sieht, kann man oft den Hinweis „Please don‘t touch“ sehen. Manchmal werden auch Haftungen an Eltern für deren Kinder verteilt. Diese Szene ist jetzt um eine Merkwürdigkeit reicher, denn bei dem Projekt der chilenischen Künstlerin und Architektin Mále Uribe Forés „Salt Imaginaries Installation“ müsste eigentlich auf dem Schild stehen: „Bitte nicht abschlecken!“ Denn diese Installation ist aus Salz und das glauben viele nicht. Besonders Kinder wollen oft ausprobieren, ob es wirklich salzig schmeckt und schlecken daran. Keine Frage: es ist sehr salzig!
Die drei Meter lange, leicht gebogene Wand besteht aus 1 300 Stück Salzfliesen. Natürlich hat die Architektin Forés auch ein wenig Gips und Bindemittel zugesetzt, um eine höhere Stabilität zu erzielen. Aber im Wesentlichen sind es Salzfliesen aus der chilenischen Atacamawüste. Und zwar ist es das Salz, das beim Transport verloren geht oder als Abfall der Lithiumproduktion liegen bleibt. Zwei leicht unterschiedliche Oberflächen und eine exakt geometrische Anordnung erzeugen eine so genannte reaktive Wandfläche. Die Stücke wurden in Silikonformen gegossen und anschließend leicht gesandet. Eine zusätzliche Lichtinstallation scheint die Wand zum Leben zu erwecken.
Diese sich leicht verändernden Schatten und die daraus resultierende Bewegung sind die erste Ebene der Veränderung, die die Architektin vermitteln will. Die zweite Ebene entsteht durch das Reagieren der Salzfliesen auf Feuchtigkeit, Raumtemperatur, leichte Luftbewegungen usw., einige Fliesen werden ausblühen, andere vielleicht zerfallen. Der Lauf der Zeit eben, dem jedes „lebende“ System unterliegt.
Bei einem Besuch der Atacamawüste war Mále Uribe Forés von den ungewöhnlichen Formationen, die aus Salz in dieser Wüste entstanden sind, fasziniert.
Wie Designerin berichtet, dass es über 14 000 bekannte Anwendungen für Salz gibt, das Material ist unter anderem hydrophil, das heißt, dass es Feuchtigkeit in Bauwerken anziehen und reduzieren kann. Im Kontext der Umweltkrise, des Boomens von Biomaterialien war es für Forés ein Reiz, die Kraft dieses Materials als Ausgangspunkt für Design zu verwenden. Bei einem Besuch der Atacamawüste war Mále Uribe Forés von den ungewöhnlichen Formationen, die aus Salz in dieser Wüste entstanden sind, fasziniert. Und in der Mitte dieser Öde stehend, hörte sie die Geräusche des Knackens und Berstens der Salzschollen. Deshalb ist die Installation im Design Museum auch von einer Toninstallation des Künstlers Tom Burke begleitet. Alles zusammen ergibt es einen ausgesprochen
anregenden und meditativen Charakter, der auch zum Nachdenken über unser Selbstverständnis des Gebrauches natürlicher Ressourcen anregt. Natürlich sind diese Salzfliesen eher fragil, sie können sich unter Wassereinwirkung wieder auflösen. Der Gegensatz zu üblichen, gebrannten und nahezu unverwüstlichen Porzellan- oder Keramikfliesen liegt in ihrer Beständigkeit und ist offensichtlich. Aber auf einer immateriellen, metaphysischen Ebene ist dieser Kontrast aufgelöst: Ein Produkt entsteht aus, in der Erde gefundenen Ausgangsstoffen, kann entweder tausende Jahre überdauern oder aber wieder in den Kreislauf der Natur zurückkehren und so genauso nachhaltig sein. Der kontemplative Zugang zum „Produkt Fliese“ ist auf beiden Wegen gegeben.