EIN KLEBER FÜR JEDE JAHRESZEIT UND ANFORDERUNG

Es ist eine Binsenweisheit, dass Zement im Sommer schneller abbindet als in der kalten Jahreszeit. Automobilisten wissen es längst: Wenn es im November kalt wird, gibt es an den Tankstellen den so genannten „Winterdiesel“, der dafür sorgt, dass der Kraftstoff eine höhere Kältefestigkeit bekommt. Aber wenn es auf Baustellen kalt wird, ändert sich an zementhaltigen Produkten nichts. Denn die Bauchemie bietet aus logistischen Gründen keine Sommer- und Winterprodukte an, sondern nur universelle Verlegemörtel für alle Jahreszeiten. Kurze Verarbeitungszeiten an heißen Sommertagen und späte Begehbarkeit der Fliesenbeläge in kalten Monaten können die Folge sein. Ideal wären allerdings Verlegemörtel, die sich zu allen Jahreszeiten und Umgebungstemperaturen nahezu gleich verhalten, mit langer klebeoffener Zeit für ein Verlegen ohne Hektik, aber trotzdem schneller Aushärtungszeit, um am gleichen Tag noch verfugen zu können. Dr. Josef Felixberger befasst sich hier mit der Frage, ob dieser Wunsch überhaupt realistisch ist.

Portlandzement – Aushärtung eher langsam und stark temperaturabhängig

Es ist Alltagserfahrung, dass chemische Reaktionen bei tiefen Temperaturen langsamer ablaufen als bei hohen. Nicht von ungefähr lagern wir Lebensmittel im Kühlschrank, um deren Verfall hinauszuzögern und erhitzen Fleisch im Backofen, um den Bratvorgang zu beschleunigen. In der Schule haben wir gelernt, dass chemische Reaktionen doppelt so schnell ablaufen, wenn die Temperatur um 10°C erhöht und halb so schnell, wenn die Temperatur um 10°C abgesenkt wird (Van’t-Hoff-Regel). Gleichbleibendes Aushärteverhalten bei unterschiedlichen Umgebungs- und Untergrundtemperaturen erscheint da wie die Quadratur des Kreises.

Bild 1:
Ettringit – Kristallgitter hält Wassermoleküle (rot) „gefangen“ (© Andif1, CC BY-SA 4.0, wikimedia)

Ternäres Bindemittelsystem: Aushärtung erfolgt schnell, aber temperaturabhängig

Portlandzement ist das Bindemittel der Wahl für bauchemische Produkte. Anrühren von Portlandzement mit Wasser ergibt Zementleim in einer plastischen Konsistenz. Da sofort Hydratationsreaktionen einsetzen, steift der Zementleim innerhalb einer Stunde an und erstarrt nach wenigen Stunden zu Zementstein. Als Nebenprodukt entsteht dabei eine erhebliche Menge an Portlandit (Kalk/gelöschter Kalk, chem. Calciumhydroxid Ca(OH)2). Portlandzement besteht aus vier Klinkerphasen (60 Prozent Alit, 15 Prozent Belit, 11 Prozent Aluminat, 8 Prozent Ferrit), deren Hydratationsreaktionen unterschiedlich schnell verlaufen, so dass diese sowohl parallel als auch zeitversetzt ablaufen. Zu allem Überfluss verhalten sich die Aushärtereaktionen der einzelnen Klinkerphasen auch noch unterschiedlich bei Temperaturänderungen.

Das hydraulische Abbindeverhalten von Portlandzement erfolgt zuverlässig. Da aber nur ein Teil des Anmachwassers chemisch verbraucht bzw. kristallin gebunden (siehe Infobox) wird, muss ein erheblicher Anteil des Anmachwassers in die Atmosphäre verdunsten. Somit zieht sich die Erhärtung von rein Portlandzement basierten Bindemitteln in die Länge, insbesondere bei niedrigen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit.

Kristalline Wasserbindung: Anmachwasser wird in Kristallgitter eingeschlossen

Ternäre Bindemittelsysteme sind so genannte Dreistoffgemische aus Portlandzement, Tonerdezement (Aluminatzement) und Calciumsulfat. Beim Anrühren setzt sofort kontrollierte Ettringitbildung ein, wodurch der überwiegende Teil des Anmachwassers kristallin gebunden wird. Im Vergleich zu Portlandzement verbleibt weit weniger freies Anmachwasser, das verdunsten muss, so dass der Aushärteprozess wesentlich schneller abläuft. Produkte basierend auf ternärem Bindemittelsystem kommen zur Anwendung, wenn kurze Abbindezeiten, schnelle Begehbarkeit und geringer Schwund verlangt werden. Typische Anwendungsbereiche sind Fliesenkleber, Bodenspachtelmassen und Estriche. Ein weiteres Plus ternärer Bindemittelsysteme ist, dass beim Abbinden kein Kalk (Portlandit) gebildet wird. Kurze Abbinde- und Trocknungszeit, schnelle Festigkeitsentwicklung, geringer Schwund und Kalkfreiheit, alles Vorteile, die jeder Fliesenleger zu schätzen weiß, nicht nur bei der Natursteinverlegung.

Ein Wermutstropfen verbleibt: Die Aushärtung von ternären Bindemittelsystemen ist zwar wesentlich schneller als von Portlandzement basierten Klebern, aber immer noch deutlich von der Temperatur abhängig.

Mineralien bilden beim Kristallisieren eine regelmäßige dreidimensionale Struktur, das sogenannte Kristallgitter aus. Manche Mineralien schließen dabei Wassermoleküle in das Kristallgitter ein. Dieses gebundene Wasser wird als kristallin gebundenes Wasser oder Kristallwasser bezeichnet. Kristallin gebundenes Wasser ist quasi käfigartig eingeschlossen (Abb. 1, rot) und dadurch nicht mehr frei beweglich, somit fester Bestandteil des Kristallgitters.

Bild 2:
Das Aushärtungsverhalten von PCI Carrament grau ist wesentlich weniger temperaturabhängig als das von Verlegemörteln auf Basis Portlandzement (rote Linie).

Wenn ein Bindemittelgemisch aus Portlandzement, Aluminatzement (Tonerde) und Calciumsulfat mit Wasser angerührt wird, entsteht schlagartig aber dennoch kontrolliert das Mineral Ettringit. Dessen Kristalle halten pro Kristallkäfig 26 Moleküle Wasser „gefangen“, so dass Ettringit eines der Mineralien mit dem höchsten Kristallwassergehalt (46 Prozent) ist. Da die Wassermoleküle durch das Kristallgitter festgehalten werden, verdunsten diese nicht. Im Gegensatz zu frei beweglichem Wasser können solche fixierten Wassermoleküle keinen Schaden in Oberbelägen, egal ob Naturwerkstein oder Parkett, anrichten. Bei zunehmender Temperatur nimmt die Energie im ausgehärteten Bindemittelsystem zu, so dass ab 60°C die Kristallwassermoleküle sich so kräftig hin und her bewegen, dass diese aus den Kristallgitterkäfigen „ausbrechen“ und in die Atmosphäre entweichen können. Da dem Etttringitgitter dadurch ein wesentlicher Bestandteil verloren geht, führt dies letztendlich zum Zerfall des Ettringits.

Spezielle ternäre Bindemittelsysteme – lange Verarbeitungszeit, frühe Begehbarkeit, kaum temperaturabhängig

Ein mit ternärem Bindemittel und ausgeklügeltem Verzögerer/Beschleuniger-System formulierter Fliesenkleber zeigt mit zunehmender Temperatur nur einen geringen Abfall in der Erstarrungszeit (Bild 2, blaue Linie). Dagegen wird das Erstarren eines klassischen Fliesenklebers auf Portlandzementbasis (rote Linie) erheblich von der Temperatur beeinflusst. Solche Kleber erfüllen mit Bravour die C2-Anforderungen für zementäre Dünnbettkleber gemäß DIN EN 12004 und auch die zusätzliche Anforderung für Schnellkleber. Darüber hinaus ist der Kleber flexibel genug, um die Anforderungen der Richtlinie für Flexmörtel der Deutschen Bauchemie einzuhalten. Der Schwund beträgt lediglich 0,2 Millimeter pro Meter. Für den Verarbeiter entscheidend ist die komfortable Verarbeitungszeit von 90 Minuten bei 25°C und die frühe Begehbarkeit des Belages nach 130 Minuten selbst bei Temperaturen von lediglich 5°C. Auch die Verlegung von wasserempfindlichen Naturwerksteinen ist problemlos bei 5°C möglich (Bild 3).

Im Außenbereich beobachtet man häufig unansehnliche weiße Flecken über den Fugen von Keramikbelägen, so genannte Ausblühungen. Wie entstehen solche Ausblühungen?

Beim Verlegen von Terrassenplatten sind selbst bei hohem handwerklichen Aufwand Hohlräume im Verlegebett nicht ganz zu vermeiden. An heißen Tagen dehnt sich die Luft in den Hohlräumen aus, baut Druck auf und entweicht über die Fugen, die meist ohnehin Risse aufweisen. Bei einsetzendem Regen kühlt die Luft in den Hohlräumen ab, zieht sich zusammen, wodurch Unterdruck von bis zu 0,1 bar entsteht. Da die Fliese sich durch den Temperaturschock ebenfalls verkleinert, weiten sich zusätzlich die Risse auf, so dass Regenwasser in die Hohlräume gelangt. Das eindringende weiche Wasser löst den im Verlegebett vorhandenen Portlandit (Kalk) auf. Wenn am nächsten Tag die Sonne wieder auf die Terrasse scheint, dehnt sich die im Hohlraum noch vorhandene Luft wieder aus und drückt das mit Kalk angereicherte Regenwasser über die Fugenrisse auf den Keramikbelag. Dort verdampft das Wasser; die „Kalkmilch“ (Ca(OH)2) konzentriert sich immer mehr auf und carbonatisiert mit dem Kohlenstoffdioxid (CO2) der Luft zu weißem Kalkstein (CaCO3) mit einhergehender Fleckenbildung.

Ausblühungen auf Keramikbelägen sind vermeidbar, wenn kein Wasser in die Hohlräume gelangt. Ausreichendes Gefälle, d. h. kurze Verweilzeit des Wassers auf dem Belag und nahezu hohlraumfreie Verlegung der Platten leisten dazu einen erheblichen Beitrag. Beide Faktoren liegen im Einflussbereich des Fliesenlegers. Eine weitere Stellschraube ist die Rezeptur des Fliesenklebers. Durch Ersatz von Portlandzement durch ein ternäres Bindemittelsystem wird die Freisetzung von Portlandit (Kalk) während der Aushärtephase nahezu vollständig vermieden. Auslaugversuche an erhärteten Kleberproben ergaben, dass die Menge an potenziell löslichem Kalk weniger als 10 Prozent im Vergleich zu Verlegemörtel auf Portlandzementbasis beträgt.

Bild 3:
Kritische Naturwerksteine durchfeuchten mit herkömmlichen Verlegemörtel (rechts). Dank der kristallinen Wasserbindung können mit PCI Carrament grau Platten verfärbungsfrei verlegt werden (links).

Ein Produktbeispiel ist der Verlegemörtel „PCI Carrament grau“, der auf einem ternären Bindemittelsystem basiert und auf Grund der kristallinen Wasserbindung nicht nur gleichmäßig abbindet. So verbleibt auch sehr viel weniger freies Wasser im Mörtel. Darüber hinaus erfolgt die Hydratation ohne Freisetzung von Kalk. Diese Faktoren reduzieren das Ausblüh- und Verfärbungspotential auf ein absolutes Minimum, so dass dieser Verlegemörtel für die Verlegung von Outdoorkeramik und Naturwerksteinen geradezu prädestiniert ist.

Die praktische Erfahrung mit dem Produkt machte der Natursteinbetrieb Kalenborn aus Rieden/Eifel zuletzt bei der Restaurierung der „Katholische Kirche Sinzig-Franken“. Die Besonderheit dieses Objekts bestand im Setzen schwerer Blockstufen und gleichzeitiger Verlegung leichter, kleinformatiger Fliesen mit dem gleichen Verlegemörtel. Kalenborn bietet seit sechs Jahrzehnten von der Steingewinnung über die Be- und Verarbeitung bis hin zum Einbau des fertigen Natursteinproduktes alle Leistungen aus einer Hand an und hat sich dank Fachkompetenz und auch durch die Verarbeitung des selbst gewonnenen Natursteins in der Denkmalpflege und Restaurierung einen guten Ruf erworben.

Aus
STEIN.KERAMIK.SANITÄR
Ausgabe 4.2021

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Text:
Dr. Josef Felixberger, Leiter der Anwendungstechnik der PCI Augsburg GmbH
Fotos/Grafiken:
PCI Augsburg GmbH

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Die erforderlichen Eigenschaften eines Klebers für jede Jahreszeit erläutert Dr. Josef Felixberger, Leiter der Anwendungstechnik der PCI Augsburg GmbH (https://www.pci-augsburg.eu/) am Beispiel von „PCI Carrament grau“

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