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Deutschlands Bau-Szene feierte 2020 eine Premiere. Die Technik des 3D-Drucks ist zwar in vielen technologischen Bereichen quasi schon Stand der Technik. Die Architektur aber gehört noch nicht dazu. In anderen Ländern wie Russland, Dubai oder auch China gibt es schon in begrenztem Umfang Erfahrungen mit dem Hausbau aus dem 3D-Ducker, das deutsche Bauwesen aber tut sich damit schwer. Die kleine westfälische Stadt Beckum schreibt jetzt diesbezüglich Architekturgeschichte. Denn hier entstand das deutschlandweit erste zugelassene Einfamilienhaus im 3D-Betondruck-Verfahren.
Weshalb die deutsche Bau-Szene hinterher hinkt, liegt nicht zuletzt an den Anforderungen. Während zum Beispiel in Dubai ein Gebäude durchaus auch ohne Dämmung „gedruckt“ werden kann, ist dies hierzulande nicht möglich. Deshalb stand nicht nur das Architekturbüro Mense-Korte Ingenieure + Architekten vor besonderen Herausforderungen, sondern auch alle beteiligten Unternehmen aus Planung, Handwerk und Industrie. Und das betraf nicht nur die EnEV-konformen Planung sowie insgesamt in der Einhaltung aller sonstigen baurechtlichen Anforderungen, allen voran die damals noch geltende EnEV (seit November 2020: Gebäudeenergiegesetz GEG). Nach der Zustimmung im Einzelfall des nordrhein-westfälischen Bauministeriums, das das Projekt mit 200 000 Euro fördert, und über einem Jahr Planungszeit „druckte“ im September 2020 die Hous3Druck UG mit einem 3D-Drucker vom Typ BOD2 der PERI GmbH die erste Lage für das erste Wohnhaus im Betondruckverfahren in Deutschland aus einem von der HeidelbergCement-Tochter Italcementi speziell für den 3D-Extrusionsdruck entwickelten mineralischen Spezialbeton.
Links: Ein Blick in die etwas andere Baustelle. Rechts: Der "Bauarbeiter" bei der Arbeit: Die Druckerdüse druckt 25 cm/s. Für 1 qm Hohlwand benötigt der "BOD2" der Firma Peri GmbH ca. 5 Minuten. Möglich wären ein Meter pro Sekunde.
Alles war Neuland für die beteiligten Unternehmen aus Planung, Handwerk und Industrie und musste Schritt für Schritt erarbeitet und behördlich genehmigt werden. Aus diesem Grund fand der Druck des zweigeschossigen Wohnhauses mit rund 160 Quadratmeter Wohnfläche auch nicht in der Geschwindigkeit statt, zu der die neue Technologie fähig ist (ein Quadratmeter doppelschalige Wand kann innerhalb von fünf Minuten gedruckt werden), sondern wurde über mehrere Tage ausgedehnt, um möglichst viel dabei lernen zu können.
Schon sehr früh stand fest, dass für Planer und Architekten der 3D-Druck ein hohes Maß an Designfreiheit bei der Gestaltung von Gebäuden bedeutet, da so Formen realisierbar sind, die in herkömmlicher Bauweise nur mit hohem finanziellem Aufwand machbar wären. Dazu wurde mit dem Building Information Modelling (BIM) gearbeitet, womit das komplette Haus zuerst dreidimensional am Computer entstand. „Durch das 3D-Modell kann alles viel präziser geplant und umgesetzt werden, es gibt keinen Aufwand für Aufmaß und auch keine Maßfehler. Der 3D-Betondrucker druckt dann alles zentimetergenau“, erzählt Alexander Hoffmann vom Büro Mense-Korte Ingenieure+Architekten.
Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass sich in der Bautechnik, die aktuell relativ arm an wirklichen Innovationen ist, mit dieser Technologie für viele Gewerke hinsichtlich Planung und Bauablauf viel verändern wird. Das betrifft nicht zuletzt die technische Gebäude-Ausstattung (TGA) und die SHK-Branche, wie es sich bei der Installation einer Badewanne und zweier Duschwannen zeigte.
Die Konstruktion des Hauses in Beckum besteht aus dreischaligen Wänden, die mit Isoliermasse verfüllt werden. Während des Druckvorganges, für den lediglich zwei bis drei Personen nötig sind, berücksichtigt der Drucker bereits die Aussparungen und Durchbrüche für die später zu verlegende Leitungen und Anschlüsse von Wasser, Strom und Haustechnik.
Dabei kann auch während des Druckvorgangs im Druckraum gearbeitet werden, so dass manuelle Arbeiten, wie etwa das Verlegen von Leerrohren und Anschlüssen, parallel zum Druckprozess stattfinden können. Alexander Hoffmann: „Durch eine sorgfältige Planung der Rohinstallation und die hohe Genauigkeit des Drucks konnten nachträgliches Schlitzen zu 90 Prozent vermieden und Rohre und Leitungen zeitsparend verlegt werden.“
Die Wannenschürze wurde entsprechend den vom Hersteller der Badewanne vorgegebenen Daten mit den erforderlichen Aussparungen mit einer solchen Präzision gedruckt, wie es bei traditioneller Bauweise kein Maurer hinbekommen würde. Das spart Zeit und Kosten bei der anschließenden Montage der Wanne, was konventionell nach gelernter Handwerker Art erfolgt.
Es musste eine Badewanne gefunden werden, die zum Radius der Hauswand passt und eine Auflagefläche für die Schürze besitzt.
Tobias Leifhelm, Leifhelm & Pelkmann GmbH
Für die Handwerker des SHK-Unternehmens Leifhelm & Pelkmann GmbH bedeutete das allerdings, dass sie erheblich früher in den Planungsprozess involviert wurden als bei herkömmlichen Bauprojekten. „Tatsächlich waren wir fast von Anfang an dabei und haben die Schlitz- und Durchbruchsplanung sowie die Produkte für die drei Badezimmer des Hauses mit den Architekten geplant, damit sie korrekt in das virtuelle 3D-Modell des Gebäudes einfließen konnten“, erinnert sich Tobias Leifhelm, einer der beiden Geschäftsführer des Beckumer Sanitärbetriebs.
BIM-Kenntnisse waren für das Handwerksunternehmen dabei allerdings nicht nötig, denn diese Aufgabe übernahm Mense-Korte. Tobias Leifhelm: „Die größte Herausforderung für Sanitär und TGA beim 3D-Betondruck ist die frühzeitige und gewissenhafte Planung, ein gutes Teamwork mit dem Architekten ist hierbei unerlässlich“.
Einer der spannendsten Momente für Architekten und SHK-Handwerker war schließlich das Einsetzen der Badewanne in die Architektur, denn es gab bei der Planung zwei Herausforderungen: Zum einen die gerundete Hauswand mit definiertem Radius und zum anderen die Wannenschürze, die ebenfalls aus Beton gedruckt worden war. Es musste eine Badewanne gefunden werden, die zum Radius der Hauswand passt und eine Auflagefläche für die Schürze besitzt. „Es kam eigentlich nur eine ovale Badewanne in Frage“. Fündig wurden die Installateure bei Sanitärhersteller Bette und dessen Modell „Bettepool Oval“.
Das Architekturbüro baute 3D-BIM-Daten der Bette-Badewanne in die Planung ein und erstellte auf dieser Grundlage ein virtuelles 3D-Modell als Basis für den Betondruck der Schürze. Wie präzise die Drucktechnik tatsächlich ist, zeigte sich, als die Badewanne dann Millimeter genau in die Öffnung passte. Die Badewanne steht auf Füßen und liegt vorne auf der Schürze auf, wandseitig wurde sie mit Wannenankern befestigt. Die Aussparungen für die Rohrinstallation und Ablaufgarnitur wurden beim Druck der Schürze bereits berücksichtigt. Alle anderen Rohrinstallation wurden wie traditionell im Estrich verlegt.
Für die Duschbereiche im Elternbad und einem der Gästebäder setzte das Architekturbüro aus Gründen der Langlebigkeit und Pflegeleichtigkeit ebenfalls auf Stahlemail. Der Einbau der beiden Duschflächen („Bettefloor“) verlief für die Installateure wie gewohnt reibungslos und schnell. Mithilfe des mitgelieferten Dichtsystems wurden die Duschflächen im Rahmen auch gleich für die normgerechte Abdichtung im Verbund vorbereitet. Wichtig war dabei, die Duschfläche von vornherein für die richtige Layerhöhe zu planen.
Der Vollständigkeit halber sei ergänzt, dass das Drucken horizontaler Bauteile nicht möglich ist, deshalb kamen für die Decken teilvorgefertigte Filigranplatten mit einer bewehrten Ortbetonlage zum Einsatz. Bevor die künftigen Bewohner ihr Haus in Beckum beziehen, soll es rund eineinhalb Jahre als Präsentations- und Forschungsobjekt dienen und eine Vorbildfunktion für innovatives Bauen und die Digitalisierung und Automatisierung der Baubranche einnehmen.