Rund sechs Jahre, nachdem die Sanierung der Neuen Nationalgalerie Berlin beschlossen wurde, ist im April 2021 eines der wichtigsten Wahrzeichen der modernen Architektur in den Kulturbetrieb zurückgekehrt, was allerdings durch die Pandemie zunächst einmal verhindert wurde. So erfolgte die Wiedereröffnung am 29. April mit einer symbolischen Schlüsselübergabe.
Die Neuen Nationalgalerie in Berlin ist nicht nur eine Architektur-Ikone, sie ist auch eine Besonderheit in Berlins Architekturgeschichte. 1962 erteilte der Berliner Senat Ludwig dem deutsch-amerikanischen Architekten Mies van der Rohe (1886 - 1969), der als einer der bedeutendsten Architekten der Moderne gilt, den Auftrag, ein Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts zu errichten. Sechs Jahre später wurde es eröffnet. Es blieb das einzige Bauwerk, das Mies van der Rohe nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland plante und baute.
Nahezu 50 Jahre lang erfolgte an dem Gebäude, das in die Denkmalliste Berlins aufgenommen wurde, keine grundlegende Instandsetzung. 2015 beschloss der Berliner Senat schließlich die Sanierung und Modernisierung. Planung und Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen sollte das britische Büro David Chipperfield Architects unter der Leitung von Sir David Alan Chipperfield übernehmen, das bereits eine besondere Beziehung zu Berlin hat. So war Chipperfield unter anderem für den Wiederaufbau des 2009 eröffneten Neuen Museums auf der Museumsinsel Berlin verantwortlich. Zudem wird dort aktuell nach seinen Entwürfen die James-Simon-Galerie errichtet.
Die offizielle Wiedereröffnung der Neuen Nationalgalerie ist jetzt für den 21. August 2021 mit einer Ausstellung mit Arbeiten des US-amerikanischen Künstlers Alexander Calder (1898-1976) geplant, sofern die Infektionslage es dann zulässt. Die Sanierungsmaßnahmen sollen rund 140 Million Euro gekostet haben, die vom Bund übernommen wurden, und umfassten vor allem die Behebung der akuten Sicherheitsrisiken, Mängel und Schäden. Schwerpunkte waren Brandschutzmaßnahmen, die Sanierung der gesamten Gebäudehülle, die Beseitigung der Ursachen des Glasbruchs, die Betonsanierung des Rohbaus und die Erneuerung der Haustechnik.
Über fünf Jahre hatte Chipperfield für die Sanierung benötigt. In ausdauernder Detailarbeit und mit dem Ziel so viel historische Bausubstanz wie möglich zu erhalten, wurde das denkmalgeschützte Wahrzeichen in viele tausend Einzelteile zerlegt, ohne dabei die visuelle Integrität des Denkmals zu beschädigen.
Auch beim Innenausbau blieb man der Architektur-Linie von Mies van der Rohe treu und nahm hier ebenfalls seine Reduziertheit als Grundlage der Modernisierungsmaßnahmen. Das reicht bis hinein in die sanitäre Ausstattung, wobei sich das Büro Chipperfield auf eine Design-Partnerschaft mit dem deutschen Armaturenhersteller Dornbracht stützte und mit dessen Armaturen das Prinzip der Formenreduktion auch in den Sanitäranlagen des modernisierten Museums übernahm. Umgesetzt wurde das mit Serie „Selv“, deren flache, beckennahe Form sich in die Architektur des flachen Baukörpers der Neuen Nationalgalerie harmonisch einfügt.
Mies van de Rohes Markenzeichen: Moderne Tragstrukturen aus Stahl, eine hohe Variabilität der Nutzflächen und eine großflächige Verglasung der Fassaden
Ludwig Mies van der Rohe (1886 - 1969) schuf die Neue Nationalgalerie in Berlin als Flachbau aus Stahl und Glas Ende der 1960er-Jahre als ein Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts. Neben Walter Gropius und Le Corbusier gehörte Ludwig Mies van der Rohe zu den Begründern moderner Architektur. Seine Baukunst gilt dem Ausdruck konstruktiver Logik und räumlicher Freiheit in klassischer Form. Dafür entwickelte er moderne Tragstrukturen aus Stahl, die eine hohe Variabilität der Nutzflächen und eine großflächige Verglasung der Fassaden ermöglichten. Berühmt wurde er auch als Vertreter des Minimalismus in der Architektur, ausgedrückt durch die Formel „Weniger ist mehr“. Bevor Mies van der Rohe 1938 in die USA Übersiedelte, wo er 1944 amerikanischer Staatsbürger wurde, hatte er in Deutschland einige beachtenswerte Bauten realisiert, wie zum Beispiel die Mehrfamilienhäuser Am Weißenhof (Weißenhof-Siedlung in Stuttgart 1927) oder das Haus Lemke (heute Mies van der Rohe Haus, Berlin 1933). Mit zu seinen bekanntesten Entwürfen gehört der Ausstellungspavillon des Deutschen Reichs auf der Weltausstellung 1929 in Barcelona. Nach dem Ende der Weltausstellung wurde er 1929 abgerissen und die verwendbaren Baustoffe wurden verkauft. Einige Teile davon befinden sich heute im Altbau des Sächsischen Landtages in Dresden. Zwischen 1983 und 1986 rekonstruierte die Stadt Barcelona unter der Leitung der Architekten Cristian Cirici, Fernando Ramos und Ignasi de Solà-Morales als „Barcelona-Pavillon“ nach den Originalplänen an der ursprünglichen Stelle.